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Baubranche vor ungewisser Zukunft

 

Gewerkschft schlägt Alarm wegen Fachkräftemangel in der Region

Mü/Aö - Eine ungewisse Zukunft sieht die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) für die Baubranche im Landkreis Mühldorf. Grund dafür ist der herrschende Fachkräftemangel. 55 Stellen seien im vergangenen Jahr länger als 90 Tage unbesetzt geblieben, so die IG Bau. Im Kreis Rosenheim waren es sogar 58.

Den Wegfall von Facharbeitern bestätigt Peter Heiß aus Neumarkt-St.Veit, Obermeister der Bauinnung Mühldorf/Altötting, in der 63 Betriebe organisiert sind. Rund 15 bis 20 Lehrlinge würden im Baubereich jährlich freigesprchen. "Das Doppelte bräuchte die Branche", so Heiß. Und selbst die Ausgelernten blieben dem Bausektor nicht erhalten, manche wechselten in baunahe Berufe. Trotzdem: Die Auftragslage im Baubreich ist nach übereinstimmender Aussage von Firmeninhabern und Handwerksvertretern bisher noch gut.

Das Problem: Zu wenig Lehrlinge

Heiß gesteht zu, dass die Anforderungen an den Nachwuchs immer größer werden - Energiekenntnisse, Statikwissen, Baustoffkunde seien Beispiele für die zunehmenden Anforderungen. Dieser Anspruch an den Nachwuchs werde von der Gesellschaft aber so nicht gesehen. Dies bestätigt auch Thomas Größlinger, Inhaber und Geschäftsführer der Baufirma Palitza in Mühldorf. Der handwerkliche Beruf - egal welcher Sparte - werde nicht geachtet. "Da fehlt bei uns die Wertschätzung", so Größlinger. "Und dann wundern sich die Leute, wenn sie keine Handwerker kriegen."

Den Mangel an Fachkräften stellt er schon seit mehreren Jahren fest. Die Situation werde immer schlimmer. Dieser Schwund sei nicht mehr auszugleichen, schon gar nicht aus der eigenen Bevölkerung. Die Kräfte müssten im Ausland rekrutiert werden.

Dies sieht auch Innungsobermeister Peter Heiß so, wobei er darauf hinweist, dass die ausländischen Arbeitskräfte nicht den hohen Ausbildungsstand hätten, der in Deutschland üblich sei. Positiv sei zumindest, so Heiß, dass in der Corona-Krise die Bauunternehmen voll ausgelastet gewesen seien. Ihm sei kein Innungsbetrieb bekannt, der Einbußen hätte hinnehmen müssen.

Auch Bauunternehmer Rupert Rigam aus Mühldorf bestätigt die Probleme mit dem Fachkräftemangel. Das Handwerk sei bei jungen Leuten nicht mehr übermäßig gefragt und müsse sich in der Konkurrenz zur Industrie behaupten.

Unsicherheitsfaktor: Kommunalaufträge

Auch sein Unternehmen kompensiert die fehlenden Fachkräfte durch Rekrutierungen aus dem Ausland. Aufträge mussten Rigam zufolge bisher nicht abgelehnt werden, jedoch beführchtet der Unternehmer Folgen der Corona-Krise in naher Zukunft. Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Altötting-Mühldorf Markus Saller bestätigt ebenfalls Fachkräftemangel und Nachwuchssorgen, und zwar in allen Handwerkssparten. Bisher verspüre die Baubranche zwar noch keine "Konjunkturdelle", das könne sich aber ändern wenn unter Umständen öffentliche Aufträge wegbrechen, weil die Kommunen durch die coronabedingten Steuerverluste Investitionen streichen oder aufschieben.

Das sieht auch Rupert Rigam so: Die Aufträge, die jetzt abgearbeitet würden, stammten noch aus der Vor-Corona-Zeit. Die notwendigen Anschlussaufträge zu bekommen, egal ob von Privat, von Firmen oder von der öffentlichen Hand, könnte schwierig werden. Beim Tiefbau mache sich dies bereits jetzt bemerkbar.

Die Lehrlingszahlen sind Saller zufolge im gesamten Handwerk rückläufig, wobei auch er den Grund dafür im fehlenden gesellschaftlichen Ansehen dieser Berufe, einem "latenten Akademisierungswahn", sieht. Er regt an, dass auch junge Leute mit Abitur sich durchaus für einen Handwerksberuf entscheiden könnten. Die Ausbildungsplätze seien vorhanden, und die Kreishandwerkerschaft helfe allen Interssierten diesbezüglich gerne weiter.

IG BAU: Branche muss attraktiver werden

Michael Müller, Bezirksvorsitzender der IG BAU Oberbayern, sieht die Notwendigkeit, jetzt in die Fachleute von morgen zu investieren, um weiterhin die Aufträge bewältigen zu können. Die Baubranche müsse jedoch deutlich attraktiver werden. Bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen, gesundes Betriebsklima sowie Respekt und Anerkennung für die erbrachte Leistung sind aus Sicht Müllers notwendig. "Aktuell erleben wir einen Facharbeiter-Schwund", so der Bezirksvorsitzende. "Drei Jahre nach der Ausbildung haben zwei von drei Bauarbeitern ihre Branche verlassen."